Vera Cordes Protrait

Mein Wohnzimmer ist ein Sportspielplatz

Foto: Ulla Brauer

Die Journalistin Vera Cordes über Gurkenwasser, Eisbein und Pilates mit ihrer Mutter 

Im Kopfstand oder mit den Füßen im Wasserbad: Vera Cordes moderiert seit über 25 Jahren die NDR-Sendung Visite und liebt es, alle Tipps und Turnübungen selbst auszuprobieren. Im Interview verrät die Journalistin, wie sie fit bleibt – und weshalb sie nachts auf Gurkenwasser schwört.

Vera Cordes studierte Germanistik, Pädagogik und Sportwissenschaft und volontierte auf der Axel-Springer-Journalistenschule. Sie war als Zeitungsreporterin, Redakteurin sowie Moderatorin beim Rundfunk, 1998 übernahm die gebürtige Hamburgerin die Moderation von Visite (dienstags, 20.15 Uhr, NDR). Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und macht am liebsten in Frankreich Urlaub. Am wohlsten aber fühlt sich die Bestsellerautorin in Norddeutschland – im Sachsenwald, wo sie zuhause ist, und an der Nordseeküste, wo sie gern stundenlang im Watt spazieren geht.

Sie stehen regelmäßig Kopf – weshalb?
Ich habe mich gerade eben nochmal kurz in den Handstand begeben. Die plötzliche Umkehr von Oben und Unten ist für den Kreislauf immer wie ein kleiner heilsamer Schock. Abgesehen davon, dass ein Handstand für mich das beste Mittel gegen gelegentliche Kopfschmerzen ist, wirkt die Überkopfhaltung bei mir gedanklich erfrischend. Ich bin danach jedes Mal besser sortiert und konzentriert.
Pech für diejenigen, denen Hand- oder Kopfstand nicht mehr gelingt?
Vera Cordes Bocksprung
Nein, nicht schlimm. Denn im Grunde steckt hinter meinem Plädoyer für „öfter mal die Welt über Kopf betrachten“ vor allem, dass wir einfach häufiger aus unseren gewohnten Bahnen ausscheren sollten. Warum nicht am Esstisch mal die Stammplätze tauschen, die Zeitung über Kopf lesen oder ein Bild an der Wand eine Weile umgedreht betrachten? Auch das wirkt gedanklich erfrischend, denn es ist Training für unsere grauen Zellen, und wer beim Spazierengehen zwischendurch mal hundert Meter rückwärtsläuft, zwingt Nerven und Muskeln, Gleichgewichts- und Bewegungssystem kurzfristig zum Umschalten. Und das tut gut.
Was lieben Sie am meisten an Ihrem Job bei Visite?
Am meisten liebe ich, dass er 100 Prozent sinnvoll ist und ich Woche für Woche gut recherchierte und äußerst effektive Gesundheitstipps vermitteln darf. Wir helfen den Menschen, im Dschungel unseres modernen Gesundheitswesens den Durchblick zu behalten, und motivieren sie, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Das finde ich wahnsinnig wichtig. Wir können uns Gesundheit nicht in der Arztpraxis abholen oder verschreiben lassen. Viele Menschen passen zunehmend gut auf sich auf und schreiben uns dankbar, dass wir ihnen mit der Sendung helfen konnten.
Was hören Sie da zum Beispiel?
Es gibt bei uns tatsächlich einen Stapel Post mit „geretteten Leben“. Immer wieder schreiben uns Menschen, dass jemand einen Schlaganfall oder Herzinfarkt gut überstanden hat, weil er oder sie gerade vorher in Visite darüber gehört hatte. Nach Sendungen über Hautkrebs gab es Zuschauer:innen, die bei sich selbst oder anderen ein böses Hautmal entdeckt haben, und in einem Fall, der mir besonders in Erinnerung ist, blieb einer Zuschauerin die Amputation ihres Beines erspart, weil sie bei uns erfahren hatte, dass ein Bein auch wegen Durchblutungsstörungen in Gefahr geraten kann. Sie suchte einen Gefäßmediziner auf, bekam zwei Stents im Bein eingesetzt und kann heute wieder normal laufen.
Sie haben den Spiegel-Bestseller „Ich hätte da was für Sie“ geschrieben – was ist das Besondere an diesem Buch (s. Gewinnspiel auf der letzten Seite)?
Das Buch ist total persönlich und es ist voller Gesundheitstipps, die ich aus erster Hand von den Expertinnen und Experten aus meiner Sendung habe. Alle sind selbst ausprobiert und ich habe festgestellt: Sie funktionieren! Zum Beispiel das Gurkenwasser gegen nächtliche Beinkrämpfe, das bewusste Lächeln, um Stress abzubauen, der Bauchnabeltrick gegen akute Rückenschmerzen oder die Augensauna gegen trockene Augen. Ich mache seit Jahren Kneippsche Güsse im Gesicht und habe keine Erkältungen mehr.
Selbsthilfe – funktioniert das auch bei Volksleiden?
Absolut. Blutspenden kann beispielsweise gegen einen schwer einstellbaren Bluthochdruck helfen und ein behandlungsbedürftiger Diabetes Typ II durch Ernährung und Bewegung wieder zurückgehen. Und eine Fettleber gesundet leichter, wenn man unter anderem Fruktose meidet.

„VISITE“

Dienstags, 20:15 Uhr im NDR
Haben Sie einen Rat für Menschen, die sich gesundheitlich gerade in einer besonders schwierigen Verfassung befinden?
Schwer erkrankte Menschen liegen mir besonders am Herzen - auch deshalb engagiere ich mich übrigens ehrenamtlich in der Deutschen Herzstiftung. Aber ob nun Herzkranke, ob Menschen mit Krebs oder mit einer Autoimmunerkrankung: Für viele von ihnen gilt, dass sie vermutlich mehr von ihrer Behandlung profitieren könnten als sie es derzeit tun. Aufgrund von Sorgen und Schmerzen verlieren Menschen leider oft den Glauben an die Medizin, zweifeln an ihren Medikamenten und nehmen sie nur widerwillig ein, weil sie sie für giftig halten. Diese Einstellung schwächt jedoch sehr wahrscheinlich die Wirkung der Mittel. Erkenntnisse der Placeboforschung zeigen: Wer seinen Arzneimitteln vertraut und an sie glaubt, holt das Äußerste an Wirkung heraus, kann seine Therapie also selbst optimieren.


Mehr Sportspielplatz als gute Stube: In ihrem Wohnzimmer ist Vera Cordes gerne aktiv.

Hand aufs Herz: Machen Sie auch mal etwas Ungesundes?
Auf jeden Fall! Ich bin eine Nachteule und laufe um Mitternacht zur Hochform auf. Was sich leider rächt, wenn ich am nächsten Morgen früh aufstehen muss. Auch an meiner Schwäche für weiße Schokolade mit ganzen Mandeln muss ich noch arbeiten, und ein deftiges Eisbein ist vor mir ebenfalls nicht sicher. Aber zum Glück liebe ich auch alles, was gesund ist: Salate, Gemüse und Hülsenfrüchte.
Ihr Wohnzimmer soll ein halbes Fitnessstudio sein.
Ja, stimmt, mein Wohnzimmer ist mehr Sportspielplatz als gute Stube. Es ist viel gesünder, jeden Tag ein bisschen aktiv zu sein, als einmal die Woche ganz viel. Und wenn es beim Tatort plötzlich zu spannend wird, springe ich kurz auf die Gymnastikmatte und mache mit dem Schlingentrainer an der Decke ein paar schweißtreibende Liegestütze, um mich abzulenken. Tatsächlich habe ich alles, was wir in der Sendung empfehlen: Wackelbrett, Faszienrolle, Thera-Bänder, Schwingstab, kleine Hanteln, einen großen Gymnastikball ... Wenn ich die Sportgeräte rumliegen sehe, habe ich immer gleich Lust, etwas zu tun. Wären die Sachen weggeräumt oder müsste ich extra ins Fitnessstudio, würde ich mich seltener aufraffen.
Apropos aufraffen: Sie haben mit Ihrer Mutter einen Pilates-Kurs besucht. Nicht selbstverständlich für eine 86-Jährige. Wie haben Sie sie motiviert?
Meine Mutter hatte so etwas in ihrem Leben noch nie gemacht und tatsächlich war ihre erste Reaktion, als ich den Kursus vorschlug: „Lohnt sich das denn noch in meinem Alter?“ Aber weil einige Wochen später eine Fernreise zu den Enkelkindern nach Dubai anstand, fand sie, dass das doch eine gute Möglichkeit sei, um sich fit zu machen. Und es hat super geklappt. Sie hat dabei zum ersten Mal ihren Beckenboden entdeckt und sämtliche „Verrenkungen“ (O-Ton meine Mutter) bravourös mitgemacht. Das war wirklich eine tolle Erfahrung.
Und es ist der Beweis, dass wir alle im fortgeschrittenen Alter etwas Neues anfangen können.
Man kann nicht nur, man sollte sogar! Etwa ab 40 nehmen Muskel- und Knochenmasse ab und das Fettgewebe zu. Später können sich Bluthochdruck, Arteriosklerose, Adipositas und Diabetes einstellen. Dieses Gesundheitsrisiko lässt sich durch tägliche Aktivität abbremsen oder sogar verhindern. Schon ein täglicher Spaziergang wirkt lebensverlängernd und wie ein Medikament. Auch Menschen im Rollstuhl können etwas tun: Gymnastik im Sitzen und Kraftübungen mit dem Oberkörper pushen den Kreislauf und halten fit. Ich bin selbst über 60 und kann nur sagen: Wir sollten die ältere Generation nicht unterschätzen …
Meine persönlichen Tipps

1.
Kneippen light für die Abwehrkräfte
Duschen Sie sich morgens und abends jeweils 75 Sekunden mit einem kalten breiten Wasserstrahl das gesamte Gesicht ab. Durch den Kältereiz ziehen sich die Blutgefäße zusammen. Erweitern sie sich anschließend wieder, wird das Gewebe besser durchblutet, die Menge von Immunglobulinen und anderen Abwehrzellen nimmt zu.

2.

Treppentrick gegen Fersensporn
und Achillessehnenschmerzen

Stellen sie sich auf eine Treppenstufe.
Blickrichtung nach oben, Zehen auf
der Stufe, Fersen in der Luft.
Nun für 2 Sekunden auf die Zehen
heben, dann langsam absenken und
für 2 Sekunden in die maximale
Dehnung gehen. 15 Wiederholungen
und das 3 bis 6 Mal am Tag.
Anfangs kann der Schmerz mehr werden, doch nach spätestens 12 Wochen
ist er deutlich besser oder – wie bei
meinem Mann – weg.

 

3.

Gurkenwasser gegen nächtliche Beinkrämpfe
Klingt seltsam, kann ich aber persönlich bestätigen: Trinken Sie 3 Schlucke Gurkenwasser – dann verschwindet der Muskelkrampf schneller. Welche Marke ist dabei egal, meine Erfahrung ist: Je saurer, desto besser. Um das Problem übrigens auf Dauer zu lösen, helfen regelmäßige Dehnübungen vor dem Schlafengehen.

Fotos: NDR/Hendrik Lüders, privat