Ältere Frau sitzt auf einem Sofa und hält sich die Brust

Aufatmen, wenn’s drauf ankommt

Foto: gana Gordic/Shutterstock

Titelthema Herz

Aufatmen, wenn’s drauf ankommt

Plötzlich wird jeder Atemzug zur Herausforderung: Atemnot ist ein Symptom, das nicht nur Angst macht, sondern lebensbedrohlich sein kann. In der neuen Dyspnoe Unit im Kath. Marienkrankenhaus sorgt ein interdisziplinäres Team aus Herz- und Lungenspezialistinnen und -spezialisten dafür, dass Menschen mit akuter Luftnot rasch und umfassend behandelt werden.

Von Inga Kleine

Antje M., 68 Jahre alt, sitzt morgens beim Frühstück, als sie plötzlich kaum noch Luft bekommt. Ihr Herz rast, Panik steigt auf. Minuten später bringt der Notarzt sie ins Kath. Marienkrankenhaus, in Hamburgs erste Dyspnoe Unit – eine interdisziplinäre Einheit für Menschen mit akuter Luftnot.

Jede:r Zehnte kommt mit Atemnot

Atemnot – in der Fachsprache „Dyspnoe“ genannt – ist eines der häufigsten Symptome in der Notaufnahme. „Etwa jeder Zehnte kommt damit zu uns“, schildert Dr. Robin von Leitner, neuer Sektionsleiter der Pneumologie am Kath. Marienkrankenhaus. Das Problem sei: Luftnot könne sowohl von Lungen- als auch Herzerkrankungen ausgelöst werden – oft liege sogar beides vor. Viele Betroffene leiden gleichzeitig unter mehreren Erkrankungen: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Lungenentzündung, Herzinsuffizienz und Lungenhochdruck. Und genau da setzt die Dyspnoe Unit an.

Eingespieltes Team für Herz und Lunge

„Bislang wurden Patientinnen und Patienten je nach Ersteinschätzung in der Notaufnahme entweder in der Pneumologie oder der Kardiologie aufgenommen – doch gerade im Notfall kann die Differenzierung zwischen Lungen- oder Herzerkrankung das Problem sein“, erläutert Dr. von Leitner. In der neuen Dyspnoe Unit ist das anders. Hier arbeiten Ärztinnen und Ärzte, die pneumologisch oder kardiologisch spezialisiert sind – einige von ihnen, darunter Dr. von Leitner, haben sogar die Doppelqualifikation.

Wichtige Untersuchungen direkt am Bett

In der neuen Unit ist alles auf schnelle Hilfe ausgelegt. Himmelblaue Wände, die zum Durchatmen motivieren, Monitore, welche die Vitalfunktionen kontinuierlich überwachen, und medizinische Geräte, die direkt in den Zimmern eingesetzt werden: „Wir können Blutgasanalysen, Lungenfunktionsprüfungen, Ultraschalluntersuchungen und sogar Lungenspiegelungen direkt am Bett durchführen. So sparen wir wertvolle Zeit und vor allem für unsere oft schwerkranken Patientinnen und Patienten die belastenden Transportwege“, beschreibt Dr. von Leitner.

Fachkräfte aus vielen Bereichen

Neben den Ärztinnen und Ärzten sind Fachkräfte aus den Bereichen Atmungs- und Physiotherapie, Pflege sowie Logopädie Teil des interdisziplinären Teams. Sie kümmern sich um Mobilisation, Sekretmanagement oder Schluckstörungen. „Das ist sehr wichtig! Gerade Patientinnen und Patienten mit Lungen- und Herzerkrankungen müssen so früh wie möglich mobilisiert werden“, so der Mediziner „Schon das regelmäßige Sitzen am Bettrand und die Hilfe beim Abhusten von festsitzendem Schleim machen einen großen Unterschied.”

Entlastung für Notaufnahme und Intensivstation

Für Betroffene ist diese Station genau das, was gefehlt hat. Aber auch die Notaufnahme profitiere davon, so der Pneumologe und Kardiologe. Denn die Menschen auf der Dyspnoe Unit sind zu krank für die Normalstation. „Über die Dyspnoe Unit entlasten wir die Notaufnahme, weil wir die Patientinnen und Patienten schneller übernehmen können. Gleichzeitig entlasten wir auch unsere Intensivstation, die dann für Schwerstkranke immer genügend Intensivbetten bereitstellen kann.“

Dyspnoe Units müssen Standard werden

Dass Dyspnoe Units in ein paar Jahren ähnlich selbstverständlich wie Stroke- oder Chest-Pain-Units sein werden, davon ist Dr. von Leitner überzeugt. Beide stellen seit über 20 Jahren den Versorgungsstandard bei Schlaganfall oder Brustschmerz dar. „Schließlich ist auch Luftnot häufig lebens bedrohlich“, begründet er. Inzwischen hat auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie eine Taskforce Dyspnoe Unit gegründet. Doch auf deren Zertifizierung will man in Hamburg nicht warten „Die Patientinnen und Patienten sind jetzt schon jeden Tag da und müssen bestmöglich behandelt werden“, genauso wie im Fall von Antje M.

Experte für diesen Artikel:

Porträt eines freundlich lächelnden Arztes mit Glatze im weißen Kittel und blauer OP-Kleidung vor neutralem HintergrundQR-Code zum Podcast "Hamburger Klinikhelden"
DR. ROBIN VON LEITNER
Sektionsleiter der Pneumologie am Kath. Marienkrankenhaus


Fotos: Kath. Marienkrankenhaus