Titelthema Autoimmunerkrankungen
Ein unabhängiges Leben mit MS ist möglich
Multiple Sklerose kann heute durch individuell abgestimmte Therapieformen gut behandelt werden. Doch eines müssen Erkrankte wissen: Nichtstun ist keine Option!
Das rechte Bein ist seit drei Tagen taub. „Die Patientin ist nicht groß beeinträchtigt, sollte es aber abklären lassen“, rät Dr. Frank Trostdorf, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf. Lähmungserscheinungen, Empfindungs- oder Sehstörungen, Schwindel oder Gangunsicherheit, die über Tage andauern, könnten erste Anzeichen einer Multiple Sklerose (MS) sein.
Diese entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark umfasst, kann sehr unterschiedlich verlaufen. Häufig tritt MS im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Klarheit bringt die Kernspintomografie (MRT) des Gehirns.
Heutige MS-Therapien sind hochwirksam
„Auch wenn der Schock meist tief sitzt, das Schlimmste, was Sie nach einer MS-Diagnose tun können, ist sie zu ignorieren. Heute kann das Fortschreiten der Autoimmunerkrankung durch hochwirksame Medikamente aufgehalten werden und sie können die Schwere und Häufigkeit von Schüben verringern“, so der Bergedorfer Neurologe.
Für eine MS-Therapie stehen derzeit fast 20 verschiedene Substanzen zur Auswahl. Unter Berücksichtigung des Stadiums der Erkrankung und der individuellen Begleitumstände wie Familienplanung und Alter wählt die Neurologin oder der Neurologe die passenden und hochwirksamen Medikamente aus. Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, Haarausfall oder Hautrötungen muss der MS-Erkrankte aber in Kauf nehmen.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen gehören zur Therapie
„Bei den aggressiveren und hochwirksamen Infusionstherapien beispielsweise mit Antikörpern gegen Immunzellen kann es in seltenen Fällen zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Dennoch empfehle ich diese mitunter bereits in der Frühphase der Erkrankung, wenn zum Beispiel eine Entzündung im Rückenmark vorliegt, die mit einer schweren Gangstörung einhergeht. Auf diese Weise können wir
verhindern, dass die Erkrankung wieder aufflackert oder ein nächster Schub eine weitere deutliche Beeinträchtigung verursacht“, erläutert Dr. Trostdorf. Diese aggressive Behandlungstherapie wird bereits seit einigen Jahren unter bestimmten Voraussetzungen angewendet. Sie hat stets das Ziel, die Aktivität der Erkrankung zu unterdrücken und somit Folgeschäden zu verhindern. Aber welche Art der Therapie auch gewählt wird, die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen seien unabdingbar, betont Dr. Trostdorf: „MS-Erkrankte sollten stets dranbleiben. Wir müssen die individuelle Therapie regelmäßig beobachten, um sicherzugehen, dass die Aktivität der MS-Erkrankung auch wirklich gestoppt wird. Das ist ein Idealfall, aber das kann die Medizin heute.“
DR. FRANK TROSTDORF
Chefarzt der Klinik für Neurologie am Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf