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Titelthema Fit im Alter
Herzklappe durch die Leiste und Stent durchs Handgelenk
Das Herz ist unser Motor. 7.000 Liter Blut pumpt es täglich bereits in Ruhe durch unseren Körper. Doch auch der beste Motor beginnt mit den Jahren zu stottern und Reparaturen werden fällig. Die gute Nachricht: Besonders im Bereich der interventionellen Herz-Eingriffe hat sich in den letzten Jahren viel getan.
Von Inga Kleine
Es ist wie beim Auto“, erläutert Prof. Dr. Karsten Sydow, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Albertinen Krankenhaus, „viele Jahre fährt es super, aber irgendwann verkürzen sich die Abstände, in denen Sie zum Service müssen. Sei es, dass die Ventile nicht mehr richtig funktionieren, das sind in unserem Fall die Herzklappen, oder die Kraftstoff-Leitungen verstopft sind, beim Herzen sind das die Herzkranzgefäße.“
Besonders häufig: koronare Herzkrankheit und Aortenklappenstenose
Erkrankungen wie die koronare Herzkrankheit (KHK), bei der die Herzkranzgefäße verkalken, oder die Aortenklappenstenose, bei der die Aortenklappe verengt ist und so den Blutstrom behindert, gehören ab dem 60. Lebensjahr zu den häufigen Herzerkrankungen. Während die Ursache von Herzklappenfehlern meist im altersbedingten Verschleiß liegt, sind es bei der KHK Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen, erhöhter Cholesterinspiegel, Übergewicht und Diabetes.
Therapiemöglichkeiten
„Glücklicherweise steht uns heutzutage eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Wir können medikamentös, chirurgisch oder interventionell vorgehen. Interventionell bedeutet, dass wir die Instrumente, mit denen wir die Eingriffe vornehmen, durch Gefäße direkt zum Herzen führen, um dort zu arbeiten“, führt der Kardiologe aus.
Offene OP oder interventioneller Eingriff?
Die Entscheidung, ob ein Eingriff chirurgisch am geöffneten Brustkorb oder geschlossen, also interventionell, erfolgt, hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Besonders wichtig: Wie alt und wie gebrechlich ist die Person? Welche weiteren Erkrankungen liegen vor? Was will der oder die Betroffene selbst? Im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum können beide Verfahren angeboten werden. Die herzchirurgische Klinik unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß ist dabei unter anderem auf Bypass-OPs unter ausschließlicher Verwendung langlebiger arterieller Gefäße am schlagenden Herzen spezialisiert. Herzchirurginnen und -chirurgen und Kardiologinnen und Kardiologen arbeiten eng zusammen und empfehlen gemeinsam die jeweils beste Behandlungsoption. „Zunächst wurde das interventionelle Verfahren bei Herzklappen-Eingriffen hauptsächlich bei über 80-Jährigen eingesetzt. Unter bestimmten Voraussetzungen können aber auch bereits 70-Jährige von diesem Verfahren profitieren. Denn gerade in den letzten zehn bis 15 Jahren hat eine enorme Weiterentwicklung stattgefunden“, betont Sydow. Interventionelle Eingriffe an den Herzklappen werden in einem hoch spezialisierten Team unter der Leitung von Julian Witt vorgenommen.
Neue Herzklappe per Katheter
„Wenn die Voraussetzungen passen und wir eine Herzklappe interventionell einsetzen können, dauert der Eingriff unter einer halben Stunde. Bei der Aortenklappenstenose ist es so, dass wir die neue Herzklappe minimal-invasiv mit einem Katheter über die Leistenarterie einführen und via Hauptschlagader dorthin bringen, wo die hochgradig verengte Aortenklappe sitzt. Die neue Klappe wird mit einem Ballon freigesetzt und die alte Klappe somit an die Wand der Hauptschlagader gedrückt.“ In einem Notfall könnte jederzeit auf das herzchirurgische Verfahren gewechselt werden, was praktisch aber nicht vorkommt.
Herzkranzgefäße übers Handgelenk durchgängig machen
Auch die KHK lässt sich sehr gut minimal-invasiv und interventionell behandeln. „Wenn wir herausfinden wollen, wie weit die Verkalkung der drei großen Herzkranzgefäße vorangeschritten ist, führen wir an der Arterie des Handgelenks einen Herzkatheter ein, mit dem wir Kontrastmittel in die Herzgefäße geben. Über Röntgenaufnahmen verschaffen wir uns ein Bild des Ausmaßes. Wenn wir das Problem gut interventionell lösen können, setzen wir einen Stent durch den bereits liegenden Katheter. Auch chronische Verschlüsse können wir in den meisten Fällen wieder öffnen. Bei extremen Verkalkungen gehen wir vorher mit einem feinen Diamantbohrer in die Gefäße, um die verkalkten Stellen aufzufräsen und Platz für den Stent zu schaffen.“ Bei diesem Eingriff ist die Patientin/ der Patient die ganze Zeit über wach, sodass Prof. Sydow direkt während der Untersuchung mit den Betroffenen besprechen kann, wie weiter vorgegangen wird.
Weiterhin im Leben stehen
„Hätte ich vorher gewusst, wie der Eingriff abläuft, hätte ich mir gar nicht so viele Gedanken gemacht.“ Diesen Satz haben Sydow und seine Kolleginnen und Kollegen schon häufig gehört. „Niemand mit einer solchen Diagnose muss fatalistisch sagen ‚Das war’s jetzt!‘ Es gibt für jede/n die individuell beste Behandlungsmöglichkeit“, betont der Herzspezialist.
Experte für diesen Artikel:
PROF. DR. KARSTEN SYDOW
Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Albertinen Krankenhaus