Ein Kind steht auf der Waage. Ein Maßband liegt im Vordergrund.

Adipositas – ein zunehmendes Problem

Foto: Marija Stepanovic

Titelthema Adipositas

Adipositas – ein zunehmendes Problem

Es werden laut WHO immer mehr Kinder adipös – mit ernsten Folgen. Sabine Linke, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Kinderendokrinologie und Diabetologie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, erklärt, was Kindern hilft.

Von Caroline de Boor

Ursachen gibt es viele: der Corona-Alltag, unterwegs mit den Öffis anstatt mit dem Fahrrad oder zu Fuß, Fertigessen und Snacks aus dem Supermarkt um die Ecke, aber auch die Tafel Schokolade gegen ständigen Kummer.

Ab wann gilt ein Kind als adipös?

Bis zur Grundschule stellen Ärztinnen und Ärzte das Übergewicht bei den Vorsorgeuntersuchungen fest. Der Body-Mass-Index (BMI) wird mit der BMI-Perzentilenkurve verglichen. Die Perzentilen zeigen an, wie sich das Gewicht im Vergleich mit anderen Kindern im selben Alter verhält. Ab der 90. Perzentile spricht man von Übergewicht, oberhalb der 97. von Adipositas. Heißt: Das Kind würde dann mehr als 97 Prozent seiner Gleichaltrigen wiegen.

Langzeitfolgen – auch seelisch

„Das ist kein Babyspeck mehr, sondern krankhaftes Übergewicht mit ernsten Folgen“, warnt Sabine Linke. Das hohe Gewicht belaste Muskeln und Gelenke und wirke sich so langfristig auf den ganzen Bewegungsapparat aus. Es kann zum Hohlkreuz, einem Knick-Senkfuß sowie X-Beinen kommen. Außerdem erhöht sich das Risiko für eine frühzeitige Arterienverkalkung, Schlaganfall und Herzinfarkt, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Fettleber. Selten kann es auch zu einer Schlafapnoe kommen, bei der Kinder im Schlaf nicht richtig atmen können. Dann wird der Körper mit zu wenig Sauerstoff versorgt und kann sich nicht erholen. Das Ergebnis: Insgesamt verkürzt sich die Anzahl der gesunden Lebensjahre. Nicht zuletzt setzt Übergewicht den Kindern auch psychisch zu. Sie erfahren Ausgrenzung sowie Mobbing, können eine Depression entwickeln und in einen Kreislauf geraten aus sozialem Rückzug, Frustessen und Gewichtszunahme.

Marathon, kein Kurzstreckenlauf

Zunächst muss nach den Ursachen geforscht werden. Löst eine andere Krankheit das Übergewicht aus? Gibt es psychische Probleme, bei denen das Kind versucht, mit Essen seine Emotionen zu regulieren?

Bei der Behandlung liegt der Fokus bei Kleinkindern vor allem darauf, das Gewicht zu halten und hineinzuwachsen. Jugendlichen hingegen müssen gezielt abnehmen. Beratungen und Schulungen bringen Eltern und Kindern neue Ess- und Bewegungsverhaltensweisen bei, aber auch, wie sie Gewohnheiten aufbrechen und langfristige Strategien aufbauen.

Sabine Linke bittet um Geduld und Verständnis für die betroffenen Kinder: „Tipps wie ‚Iss doch einfach weniger!‘ oder ‚Beweg dich ein bisschen mehr!‘ sind nicht hilfreich. Hinter Adipositas steckt meist viel mehr.“ Außerdem brauche es Zeit, so die Medizinerin, Gewicht in gesundem Maße zu verlieren: „Das ist ein Marathon, kein Kurzstreckenlauf.“

Erste Anlaufstellen:

  • Kinderärztin/Kinderarzt
  • Adipositaszentrum wie zum Beispiel das Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift (mit multidisziplinärer Diagnostik): kkh-wilhelmstift.de/minusxxl

Informationen im Internet:

Expertin für diesen Artikel:

Sabine Linke, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Kinderendokrinologie und Diabetologie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift
SABINE LINKE
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Kinderendokrinologie und Diabetologie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift


Fotos: Muenchbach
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