Doppelte Last: Diabetes und Adipositas

Foto: Caroline Ruda

Titelthema Adipositas

Doppelte Last: Diabetes und Adipositas

Wer eine Veranlagung für den Diabetes-Typ-2 in sich trägt, erhöht mit Übergewicht das Risiko für den Ausbruch der Krankheit. Neue Medikamente nehmen Diabetes und Adipositas gleichzeitig in Angriff.

Von Caroline de Boor

Still und heimlich – so entwickelt sich Diabetes. Die Krankheit kann ernste Folgen haben: Nieren-, Nerven- und Gefäßschäden, Augenerkrankungen sowie Durchblutungsstörungen. Eine frühe Diagnose kann das verhindern. Insbesondere Menschen mit Übergewicht und einer familiären Vorgeschichte sollten ab 40 Jahren ihren Blutzucker jährlich untersuchen lassen.

Chance ohne Medikamente

Ein erhöhter Blutzuckerspiegel kann die Vorstufe zu Diabetes anzeigen. Wer aber mithilfe ausgewogener Ernährung und Bewegung sein Gewicht reduziert, kann den sogenannten Prä-Diabetes umkehren und eine Erkrankung hinauszögern. „Das ist eine Herausforderung“, weiß Dr. Jürgen Wernecke, Chefarzt der Klinik für Diabetologie am Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg. „Die Ernährung ist stark emotional geprägt.“ Er rät, mit Bewegung zu beginnen: „Klein anzufangen, die Treppe anstatt des Aufzugs zu nehmen oder für kurze Strecken auf das Auto zu verzichten, hilft schon. Ziel ist es, den Spaß an der Bewegung (wieder) zu entdecken.“

Neue Medikamente, neue Hoffnung

In der Diabetestherapie sorgen zwei neue Medikamentenklassen für frischen Wind. Erfolgreich sind neue Wirkstoffe, die Darmhormone nachahmen: Inkretin-Mimetika. Sie senken den Blutzucker, doch sie verlängern dabei gleichzeitig das Sättigungsgefühl und helfen so effektiv beim Abnehmen. „Das sind echte Gamechanger“, so Dr. Wernecke. Sie werden ins Unterhautfettgewebe gespritzt; Ozempic ist ein bekanntes Beispiel.

Die SGLT2-Hemmer (Sodium glucose linked transporter 2) senken den Blutzucker, mindern zwar weniger das Gewicht, dafür verringern sie aber drastisch die Folgeschäden an Herz und Nieren.

OP ade!

„Es gibt mittlerweile Medikamente, die die Wirkung von gleich zwei natürlichen Hormonen nachahmen und damit eine Gewichtsreduktion von 20 bis 25 Prozent ermöglichen. Das ist vergleichbar mit den Ergebnissen einer operativen Magenverkleinerung“, erklärt Dr. Wernecke. Und die Forschung geht weiter: „In ersten Tierversuchen wird zurzeit ein Wirkstoff getestet, der drei Hormone imitiert. Damit könnte eine Gewichtsabnahme bis zu 45 Prozent erreicht werden.“ Ein Hoffnungsschimmer für extrem Adipöse, schneller ein Gewicht zu erreichen, bei dem sie körperlich aktiv werden können. „Das könnte Übergewichtsoperationen in Zukunft unnötig machen.“

(K)ein Lifestyleprodukt

Diese Spritzen klingen auch für Menschen ohne Diabetes, die abnehmen wollen, verlockend. Doch durch die hohe Nachfrage von Nicht-Erkrankten bilden sich Engpässe – und Betroffene gehen leer aus. So schwemmen zudem Fälschungen, die gefährlich seien, den Schwarzmarkt, warnt der Mediziner. Sein Appell: „Diese Medikamente sind für Diabetiker:innen. Sie sind nicht als Lifestyleprodukt gedacht.“

Experte für diesen Artikel:

Dr. Jürgen Wernecke, Chefarzt der Klinik für Diabetologie am Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg

DR. JÜRGEN WERNECKE
Chefarzt der Klinik für Diabetologie am Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg


Fotos: AGAPLESION
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