Illustration von Ärztinnen und Ärzten, die den menschlichen Darm untersuchen – mit Lupe vergrößerte Darstellung von Bakterien und Viren zur Analyse des Mikrobioms oder entzündlicher Prozesse.

Kleines Bauchpflaster statt großer Beutel

Foto: Flash Vector/Shutterstock

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Kleines Bauch-Pflaster statt großer Beutel

Colitis ulcerosa ist eine chronische Entzündung des Dickdarms. Ist diese ausgeprägt, bietet das Kock-Pouch-Verfahren die Möglichkeit eines unbeschwerteren Lebens – trotz eines künstlichen Darmausgangs.

Von Britta Schmeis

Krampfartige Bauchmerzen, blutige Durchfälle und schmerzhafter Stuhlgang sind typische Symptome einer Colitis ulcerosa. Die chronische Entzündung der Dickdarmschleimhaut, deren genaue Ursache bisher nicht geklärt ist, breitet sich vom After aus und wandert dann meist bis zum Dünndarm.

Therapie: konservativ oder OP?

„Typischerweise behandeln wir die Colitis ulcerosa konservativ mit Antibiotika, Kortison oder Immunsuppressiva, aber manchmal müssen wir auch operieren“, erklärt Prof. Dr. Christoph Isbert. Er leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Karl-Wilhelm Ecker das Amalie Pouch Zentrum Hamburg am Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus. Pouch, das ist ein spezielles operatives Verfahren, bei dem aus dem Dünndarm ein Reservoir für den Stuhl gebildet wird, der dann kontrolliert abgegeben werden kann. Voraussetzung ist, dass der Afterschließmuskel intakt ist.

Kontrollierbare Toilettengänge

„Wenn die medikamentöse Behandlung nicht mehr anschlägt oder sich bereits eine Vorstufe von Dickdarmkrebs entwickelt hat, muss der Dickdarm entfernt werden“, erklärt der Chirurg, der seit 30 Jahren chronische Entzündungen behandelt. Dafür wird aus dem Dünndarm ein sogenannter Pouch (Beutel) geformt und in der Nähe des Afters angeschlossen (J-Pouch-Verfahren). So sind vier bis sechs kontrollierte Toilettengänge täglich möglich.

Entleerung über Nippelventil und Katheter

Manche Betroffene aber leiden unter Komplikationen, etwa weil häufigere Darmentleerungen notwendig sind, eine Schließmuskelschwäche besteht oder sie mehr Lebensqualität wollen. Dann ist das Kock-Pouch-Verfahren das Mittel der Wahl. „Auch dabei wird ein Beutel aus dem Dünndarm gebildet. Den nähen wir aber nicht am After, sondern in Leistennähe an“, erläutert Prof. Ecker.
Zusätzlich wird ein – von dem Skandinavier Nils Kock entwickeltes – Nippelventil aus dem Dünndarm geformt. Über dieses Ventil kann ein Katheter in den Pouch eingeführt und der Stuhl ganz individuell abgelassen werden. „Man hat also nur ein kleines Pflaster am Bauch. Das erhöht die Lebensqualität enorm“, weiß der Chirurg aus seiner langjährigen Erfahrung.

Unbeschwertes Leben

Bis zu sechs Stunden dauert die OP, bei der minimal-invasiv der Dickdarm entfernt und der Kock-Pouch geformt wird. Dafür ist ein kleiner Bauchschnitt notwendig. Während des etwa 14-tägigen Klinikaufenthalts wird der Pouch konditioniert, also geweitet. „Aber nach etwa sechs bis acht Wochen ist ein nahezu unbeschwertes Leben möglich“, macht Prof. Isbert Mut.

Hier finden Betroffene Hilfe:

• Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf
• Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg
• Albertinen Krankenhaus
• Evangelisches Amalie Sieveking Krankenhaus
• Israelitisches Krankenhaus Hamburg
• Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift
• Kath. Marienkrankenhaus
• Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift
•Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand

Experten für diesen Artikel:

Prof. Dr. Christoph Isbert
PROF. DR. CHRISTOPH ISBERT Leitung Amalie Pouch Zentrum Hamburg
am Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus
Prof. Dr. Karl-Wilhelm Ecker
PROF. DR. KARL-WILHELM ECKER Leitung Amalie Pouch Zentrum Hamburg
am Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus

Fotos: Immanuel Albertinen Diakonie