Blickwinkel aus der Perspektive eines Patienten auf dem OP-Tisch: Eine medizinische Fachkraft in blauer OP-Kleidung, Haube und Mundschutz hält eine Anästhesiemaske über die Kamera. Im Hintergrund sind helle Operationsleuchten zu sehen. Die Szene vermittelt den Moment vor der Narkoseeinleitung in einem Operationssaal.

Der kontrollierte Schlaf?

Foto: Andrey Zhernovoy

Narkose

Der kontrollierte Schlaf?

„Eine Allgemeinanästhesie ist sicher mehr als das“, sagt Marcus Westermann, leitender Anästhesist am Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand. Er kennt die Gedanken, die viele Menschen vor einer OP beschäftigen – oft ist die Angst vor dem „kontrollierten Schlaf“ sogar größer, als vor dem eigentlichen Eingriff.

Von Caroline de Boor

Doch die ist meist unbegründet: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Allgemeinanästhesie, umgangssprachlich Vollnarkose, zu Komplikationen führt, ist sehr gering. „Natürlich gibt es bei jeder OP gewisse Risiken, aber das Anästhesieteam überwacht während des gesamten Eingriffs jeden einzelnen Wert – vom Blutdruck über die Herzfrequenz bis hin zum Sauerstoffgehalt im Blut“, versichert Marcus Westermann.

Was passiert da genau?

„In der Regel ist das eine Trias von Bewusstseinsverlust, Schmerzfreiheit und kompletter Muskelentspannung, hervorgerufen durch verschiedene Medikamente, die intravenös gegeben werden und eine Beatmung nach sich ziehen“, erklärt der Anästhesist. „Auswirkungen auf das Herz-KreislaufSystem werden zu jeder Zeit kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert.“

Wissen schafft Vertrauen

Vor dem Eingriff gibt Marcus Westermann seinen Patientinnen und Patienten viel Raum, Fragen zur Allgemeinanästhesie zu stellen. „Informationen helfen oft, Ängste abzubauen“, erklärt er seine Geduld. In diesen Gesprächen fragt er detailliert den gesundheitlichen Zustand ab, Vorbefunde sind dabei extrem hilfreich. Eine gute Anamnese könne Leben retten, begründet der Arzt: „Ich hatte kürzlich einen Patienten für einen planbaren, also elektiven Eingriff, ohne Vorbefunde. Im Gespräch hörte ich zwischen den Zeilen, dass er gar nicht so fit war, wie er glaubte. Ich schickte ihn also nicht, wie geplant, in den OP-Saal, sondern zum Kardiologen. Es stellte sich heraus, dass er unter Herzproblemen litt, die ein Risiko für die OP darstellten. Also bekam er erst einen Stent in ein verengtes Gefäß, dann folgte die elektive OP.“

Vertrauen mindert Angst

Marcus Westermann und seinem Team ist es wichtig, den Bedenken der Patientinnen und Patienten aufmerksam und sensibel zu begegnen. „Ein Aufklärungsgespräch ist eine Gratwanderung zwischen dem Schaffen von Vertrauen und dem Erzeugen von Angst. Wir betreten hier einen sehr persönlichen Raum“, erklärt er. „In unserem medizinischen Sprachgebrauch wirken wir oft zu distanziert. Dabei ist ein empathisches Gespräch der erste Schritt zu einer erfolgreichen Anästhesie. Uns muss immer klar sein, wie viel Vertrauen es erfordert, das eigene Bewusstsein loszulassen.“ Die größte Angst der Menschen sei, nicht wieder aufzuwachen, so Westermann. Er empfiehlt Menschen vor einer Operation: „Nehmen Sie sich die Zeit, die Risiken und den Nutzen der OP abzuwägen – und stehen Sie zu Ihrer Entscheidung. Und vor allem: Vertrauen Sie lieber dem erfahrenen medizinischen Team als unsicheren Informationen aus dem Internet.“

Experte für diesen Artikel:

Porträt von Marcus Westermann, ein älterer Mann mit kurzen, grauen Haaren und Brille. Er trägt einen weißen Arztkittel und hat einen freundlichen Ausdruck. Der Hintergrund zeigt einen hellen, modernen Krankenhausflur mit Glaswänden
MARCUS WESTERMANN

Leitender Anästhesist am Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand


Fotos: Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand