Generationen treffen aufeinander: Junge und alte Menschen sprechen miteinander.

Mehr Generationen, ein Ziel

Foto: Tyler Olson

Titelthema Fit im Alter

Mehr Generationen, ein Ziel

Jüngere, Ältere und Alte unter einem Dach? Was im Mehrgenerationenhaus funktioniert, hat auch in einer psychiatrischen Klinik Vorteile. Weshalb alle voneinander partizipieren – gerade in Zeiten der Krise.

Von Wiebe Bökemeier

Treffen sich eine 18-Jährige und ein 81-Jähriger zufällig auf der Straße, mögen sie auf den ersten Blick nicht allzu viel gemeinsam haben. Begegnen sich die zwei jedoch auf einer Allgemeinpsychiatrischen Station für Menschen mit Angsterkrankungen, würden sie möglicherweise feststellen, dass ihre Sorgen sich sehr ähneln.

Krisen und Krieg

„Der Auslöser für Angstzustände kann bei beiden – unabhängig vom Alter – durchaus der gleiche sein. Selbst wenn sehr unterschiedliche Erfahrungen zugrunde liegen, erklärt Dr. Alexandra Bussopulos-Orpin, Chefärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: Bei den Älteren triggern die aktuellen Katastrophen wie die Kriege in der Ukraine und in Gaza eher Traumata aus ihrer Vergangenheit. Bei den jüngeren Generationen spielt beim Thema Krieg vor allem die Angst vor der Zukunft eine Rolle. „Was zurzeit in der Welt passiert“, so die Ärztin, „betrifft uns alle.“

Verständnis und Zusammenhalt

Das sei zwar besorgniserregend, lasse die verschiedenen Generationen aber näher zusammenrücken, sagt sie. Miteinander entwickeln diese eine gute Energie, die in der Bewältigung psychischer Erkrankungen helfen kann. Ein Grund dafür liege in den unterschiedlichen Perspektiven, die jede Altersgruppe mit sich bringt. Durch den Austausch von Erfahrungen und Emotionen können junge und alte Erwachsene sich gegenseitig unterstützen. „Eine gemeinsame Sorge kann in einer psychiatrischen Einrichtung Brücken schlagen“, fasst Bussopulos-Orpin zusammen.

Nicht zu viel und nicht zu wenig

Die Alten und Jungen besuchen zum Teil dieselben Angebote in der Klinik, was gegenseitiges Verständnis und Hilfsbereitschaft bewirkt: „Die Digital Natives erklären den über 70-Jährigen, wie Streamen oder das Smartphone funktionieren, und leihen auch mal spontan einen Arm, wenn der Spaziergang kräftemäßig zur Herausforderung wird. Die Älteren hingegen strahlen Ruhe aus, nehmen die Hektik aus dem Alltag und hören den jungen Menschen einfach mal interessiert zu“, beschreibt die Ärztin. Dieser positive Effekt könne allerdings nicht in allen Gruppen entstehen, eine 18-Jährige langweile sich im Seniorensport. Wichtig sei für alle Therapien, diese Zeit zusammen nicht künstlich herbeizuzwingen. Interaktion müsse immer freiwillig und aus der Situation heraus geschehen. Aber wenn das passiert, lernen Patientinnen und Patienten durch den Austausch von Lebenserfahrungen, Ratschlägen und Unterstützungen voneinander.

Expertin für diesen Artikel:

Dr. Alexandra Bussopulos-Orpin, Chefärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im 
Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf

DR. ALEXANDRA BUSSOPULOS-ORPIN
Chefärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf


Fotos: Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf
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