Rasch ermüdende Muskeln
durch blockierende Antikörper
Luise K. ist 19 Jahre alt und hat gerade mit dem Medizinstudium begonnen, als sie immer schlechter sehen kann. Doch ihre Augen sind gesund. Es ist die seltene Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis (MG), die für eine Muskelschwäche sorgt.
Die Buchstaben verschwimmen oder erscheinen doppelt, manchmal hängt das linke Augenlid bis zur Hälfte herunter. Nach einer kurzen Ruhepause geht es dann wieder und an manchen Tagen ist alles gut. Als die Symptome aber immer häufiger auftreten, geht die junge Studentin zur Augenärztin. Die kann allerdings nichts feststellen – ebenso wenig wie der Hausarzt.
Myasthenia gravis – schwere Muskelschwäche
Als die 19-Jährige abends kaum mehr die Treppen zu ihrer Wohnung im dritten Stock hochkommt, überweist der Hausarzt sie zum Neurologen. Dieser führt einen einfachen Test durch: Er lässt die Patientin einige Minuten nach oben schauen – was einem gesunden Menschen nicht schwerfällt, kann Luise K. nicht durchhalten. „Eine solche belastungsabhängige Ermüdbarkeit der Muskulatur, die schleichend zunimmt, ist typisch bei einer Myasthenia gravis“, weiß PD Dr. Michael Rosenkranz, Chefarzt der Klinik für Neurologie und neurologische Frührehabilitation und Ärztlicher Direktor am Albertinen Krankenhaus. Er misst die elektrische Signalübertragung von Nerven- auf Muskelzellen, die sich als deutlich beeinträchtigt erweist, und findet auch die vermuteten Antikörper im Blut.
Nerven können Muskeln nicht ansteuern
Es handelt sich um die seltene Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis (schwere Muskelschwäche), bei der körpereigene Antikörper die Signalübertragung vom Nerv zum Muskel blockieren. Der Muskel selbst ist intakt, kann aber von den Nerven nicht ausreichend angesteuert werden, weil die Autoantikörper die Rezeptoren am Muskel blockieren, die sonst die Impulse der Nerven empfangen.
„Wir behandeln die MG in der Regel mit einem zweigleisigen Therapieregime, mit dem wir die Symptome gut in den Griff bekommen können: zum einen mit einem Medikament, das den Abbau eines wichtigen Botenstoffs hemmt, zum anderen mit einem Immunsuppressivum, das die Antikörperproduktion bremst“, erläutert der Experte.
Tumor an der Thymusdrüse – bei jungen Menschen häufiger
In 10 bis 15 % der Fälle wird zudem ein Tumor an der Thymusdrüse, ein sogenanntes Thymom, nachgewiesen, bei jungen Menschen sogar bei der Hälfte der Betroffenen. Dann wird meist die ganze Drüse entfernt, was die Chancen, nach der Therapie symptomfrei zu bleiben, deutlich erhöht. So auch im Fall von Luise K. Nach der OP und medikamentösen Therapie hat sie keine Beschwerden mehr und kann die Medikamente sogar ganz absetzen. Heute sieht sie auch nach einem anstrengenden Unitag noch scharf und erklimmt die drei Treppen zu ihrer Wohnung wieder mühelos.
PD DR. MICHAEL ROSENKRANZ
Chefarzt der Klinik für Neurologie und neurologische Frührehabilitation und Ärztlicher Direktor am Albertinen Krankenhaus